Einige persönliche Gedanken zum Urteil vom Bundesverwaltungsgericht vom 23. Juni 2020
Das Bundesverwaltungsgericht hat es sich leicht gemacht.
Zusammengefasst hat das Gericht der ESTV (Eidgenössischen Steuerverwaltung) einen Persilschein ausgehändigt mit der Feststellung, dass sie alles paragraphengetreu macht – übrigens etwas, das wir nie bestritten haben. Insbesondere die fehlende Möglichkeit die Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung zu prüfen (fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit) ist vorliegend stossend. Sich hinter Paragraphen verstecken und damit eine Menschenrechtsverletzung rechtfertigen, ist mehr als stossend.
Im Urteil ist auf Seite 4 / 1.6.1 folgendes zu lesen:
«Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, auf den unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten festgestellten Sachverhalt die richtigen Rechtsnormen und damit jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als zutreffend erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist»
«jenen Rechtssatz anzuwenden» lässt mich als Laie hellhörig werden. Heisst das mit anderen Worten:
dass das Gericht auch einen «anderen Rechtssatz» hätte anwenden können – einen Rechtssatz, der es erlaubt hätte:
die offensichtlichen Mängel an der staatlichen Praxis zu rügen?
und damit den Bundesrat darauf hinzuweisen mit der Aufforderung, diesen Missstand zu beheben!
Um dem Urteil, welches fast ein Jahr auf sich warten liess, einen würdigen Umfang zu geben wurden jede Menge unbestrittene Punkte aufgeführt. Es mag ja «prozesstechnisch» notwendig erscheinen, ist aber nicht geeignet, das Wesentlichen auszublenden bzw. davon abzulenken:
- Für Personen mit normalem Menschenverstand stellt die vom Staat gelebte Praxis nichts anders dar als:
- die Benachteiligung der im Inland kaufenden Bevölkerung was einer krassen Ungleichbehandlung und somit einer Menschenrechtsverletzung gleichkommt
- die Subventionierung des ausländischen Gewerbes welches wiederum einer Schlechterstellung des inländischen Gewerbes durch den eigenen Staat zur Folge hat
- und ganz aktuell kurbelt unser Staat damit die durch CORONA stark leidende Wirtschaft an – leider die Wirtschaft der umliegenden Staaten und das Nachsehen haben einmal mehr das inländische Gewerbe und somit auch deren Mitarbeitenden
=> unser Staat hilft hartnäckig mit, dass sich das ausländische Gewerbe rascher als das inländische Gewerbe erholen kann
=> für jeden Entscheidungsträger des inländischen Gewerbes nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht
- Den politischen Entscheidungsträgern möchte ich in keinster Weise «normaler Menschenverstand» absprechen.
- Auszug aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht (3.3 S 16)
- «Abschiessend ist darauf hinzuweisen, dass die Thematik der Wertfreigrenze auf politischer Ebene seit Jahren kontrovers diskutiert wird…..
Es bleibt abzuwarten, welche politischen Entscheide diesbezüglich gefällt werden. Es ist weder Aufgabe des Gerichts, noch liegt es in seiner Kompetenz, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens in diesen Prozess einzugreifen
- An dieser Stelle allen Politikern welche diesen Missstand erkennen und aktiv bekämpfen ein herzliches Dankeschön im Namen aller betroffenen Gewerbetreibenden und deren Mitarbeitenden
- Was ist aber mit der grossen Mehrheit der politischen Entscheidungsträger los, welche die Folgen dieser existenzbedrohenden Situation nicht erkennen können oder wollen?
Die Mehrheit der: - Stadtpräsidenten, Kantonsräte, Regierungsräte, Kantonal- und Ständeräte etc. scheinen völlig unbeeindruckt zu sein – mit anderen Worten:
- die Ungleichbehandlung und Abstrafung der im Inland kaufenden Bevölkerung durch den Staat nehmen sie als selbstverständlich hin
- und die damit verbundene Subventionierung des ausländischen Gewerbes durch unseren Staat findet ihre uneingeschränkte Zustimmung
- Allen Politiker, welche sich jetzt ungerecht behandelt fühlen empfehle ich einen Blick in den Spiegel mit den Fragen:
- was habe ich dagegen getan?
- was könnte ich ab jetzt tun?
- Für uns als Beschwerdeführer hat das Gericht aus formellen Gründen:
- das Thema der Abstrafung der im Inland einkaufenden Bevölkerung nicht gewürdigt
- und die Tatsache, dass der Bund das ausländische Gewerbe subventioniert in einem Nebensatz abgekanzelt
Aus unserer Beschwerde (S 9 und 10) vom 12. Juni 2019 an das Bundesverwaltungsgericht:
«Das inländische Gewerbe wird mit der Wertfreigrenze gegenüber dem grenznahen ausländischen Gewerbe diskriminiert und der Konsument der im Inland einkauft wird benachteiligt, indem er für das identische Produkt einen um die Mehrwertsteuer erhöhten Preis bezahlen muss»
«Die Verletzung der Rechtsgleichheit ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz (S.8 der Verfügung und Einsprache Erw. 2.2) darin zu erkennen, dass gleiche Produkte, gleiche Leistungen, aufgrund der unterlassenen Mehrwertbesteuerung verbilligt werden womit der Schweizer Staat das ausländische Gewerbe durch diese Art der Subventionierung bevorteilt»
«Diese Ungleichbehandlung des inländischen Gewerbes gegenüber dem grenznahen Gewerbe im Ausland ist damit eindeutig diskriminierend und verletzt nicht nur Art. 8 der Bundesverfassung, sondern auch Art. 14 der EMRK»
Zu dieser Thematik einige Auszüge aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2020 (2.3.1 / S 8)
- 2.3.1 Gemäss Art.8 Abs. 1 BV sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.
- Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidenswesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist
- oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich auf Grund der Verhältnisse aufdrängen
- Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Unterscheidung ungleich behandelt wird
- Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen
- Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiterer Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert
- und auf Seite 11 und 12 des genannten Urteil:
- führt das Gericht ausführlich aus, dass das nicht erheben der Mehrwertsteuer durch die Einfuhrsteuer wettgemacht werde. Im gleichen Atemzug erklärt das Gericht aber auch, das auf die Einfuhrsteuer auf Grund einer verwaltungsökologischen Massnahme verzichtet wird!
- weiters kommt das Gericht auf Seite 14 zu folgendem Schluss:
- «Ergänzend ist festzuhalten, dass inländische Unternehmer ohnehin keinen Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung mit ausländischen Konkurrenten haben, welche nicht dem schweizerischen Mehrwertsteuerrecht unterliegen.
- Auch von einer Diskriminierung im Sinne von Art. 14 EMRK – wie sie die Beschwerdeführerin geltend macht – kann keine Rede sein»
- Zusammengefasst heisst das nichts anderes als dass:
- auch das Bundesverwaltungsgericht – «unter Anwendung des ihm als geeignet erscheinenden Rechtssatzes» -unsere Beschwerde in allen Teilen ablehnt
- und somit die Ungleichbehandlung der im Inland kaufenden Bevölkerung für korrekt befindet und die Subventionierung des ausländischen Gewerbes durch unseren Staat schützt
Noch einige Gedanken zur „verwaltungsökonomischen Massnahme“
Aktuell, mangels statistischer Zahlen, müssen wir von einer Schätzung ausgehen und kommen zum Schluss, dass der Staat jährlich am Zoll zwischen 700 und 1‘000 Millionen CHF verschenkt!
- Seit unserem ersten Schreiben zu dieser Thematik an den Bundesrat vom 6. Mai 2016 sind dies (Stand Sommer 2020)
- zwischen 2,8 und 4 Milliarden Franken
- Auf solche Summen unter dem Titel «verwaltungsökonomische Massnahme» zu verzichten, müsste, nicht erst heute, Fragen aufwerfen
- Die 2,8 bis 4 Milliarden Fr. welche der Staat am Zoll verschenkt sind bei weitem nicht alles. Diese vom Bund hartnäckig beibehaltene und neuerdings vom Bundesverwaltungsgericht geschützte Praxis hat auch zur Folge, dass:
- dadurch das gesamte inländische Gewerbe (es geht hier nicht und die Beschwerdeführerin) nachweislich benachteiligt wird und somit weniger Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen
- der Druck auf die Mitarbeitenden in den betroffenen Betrieben zwangsläufig grösser wird
- der Unmut und die Unzufriedenheit der betroffenen Mitarbeitenden auch gegenüber dem Staat zunehmen wird
- Personalabbau mit all seinen Folgen eine logische Folge darstellt
- Geschäftsaufgabe unvermeidbar werden
- Für uns greift es zu kurz, wenn man betroffenen Unternehmen Misswirtschaft, mangelnde Kenntnisse der wirtschaftlichen und branchenspezifischen Kenntnisse etc. unterstellt
- Es dürfte unbestritten sein, dass wir nebst dem sehr starken Franken nicht noch weitere – «vom Staat produzierte Nachteile» – länger verkraften können
Um nicht auf Schätzungen aufbauen zu müssen, haben wir am 16. Juli 2020 folgende schriftliche Anfrage an das Bundesamt für Statistik gestellt:
Bundesamt für Statistik
Espace de l’Europe 10
CH-2010 Neuchâtel
Buchs, 16. Juli 2020
Anfrage zum Erlass der Mehrwert- und oder Einfuhrsteuer am Zoll
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir befassen uns seit über vier Jahren mit den Folgen der vom Bund praktizierten Warenfreigrenze am Zoll. Die Pressemeldungen zu diesem Thema mehren sich und als Grössenordnung erhärten sich Umsatzzahlen von bis zu 10 Milliarden Franken / Jahr.
Wir gehen davon aus, dass dem Bund Zahlen oder auch Hochrechnungen dazu vorliegen. Darf ich Sie bitten, uns diese Zahlen schriftlich zukommen zu lassen. Für den Fall, dass die Zahlen online zugänglich sind, reicht uns der Link dazu.
Für Fragen zögern Sie nicht uns zu kontaktieren.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen
und freundliche Grüsse
Per 31. Juli 2020 haben wir Antwort bekommen.
So wie es scheint, hat das Amt für Statistik keine Zahlen im Zusammenhang mit der Wertfreigrenze und von sich aus an EZV (Eidgenössische Zollverwaltung) weitergeleitet
Sehr geehrter Herr Meier
Ihre Anfrage wurde uns vom Bundesamt für Statistik als zuständiges Amt weitergeleitet.
So wie ich aus Ihrem Schreiben entnehmen kann, wünschen Sie Daten zum Mehrwertsteuer- und Zollausfall aufgrund des Einkaufstourismus. Solche Zahlen erhebt die Zollverwaltung explizit nicht und Schätzungen dazu liegen auch nicht vor. Jedoch können Sie diese Daten aus dem Bericht zum Postulat der Finanzkommission des Nationalrates entnehmen.
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Sollten Sie weitere Fragen, zögern Sie nicht uns zu kontaktieren.
Freundliche Grüsse
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Eidgenössisches Finanzdepartement EFD
Eidgenössische Zollverwaltung EZV
Direktion
Abteilung Risikoanalyse und Statistik
Monbijoustrasse 40, 3003 Bern
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