29. Dezember 2020 | Das Urteil des Bundesgerichts trifft in Buchs ein

Unsere Beschwerde an das Bundesgericht vom 31. August 2020 hat diese, letzte Instanz, mit Urteil vom 1. Dezember 2020, abgelehnt.
Überraschend ist, dass das Bundesgericht innert so kurzer Zeit sich der Sache angenommen und ein Urteil gefällt hat.
Das Urteil ist (siehe Anhang) für Nichtjuristen nur sehr schwer zu lesen. Es muss festgehalten werden, dass auch das Bundesgericht analog dem Bundesverfassungsgericht nicht auf den Kern der Sache eingegangen ist und den Ball mehr oder weniger deutlich der Politik zuspielt.

Für einen raschen Überblick der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichts haben wir ebenfalls im Anhang eine Zusammenfassung. Interessierte Leser finden in diesem Blog sämtliche Details in chronologischer Reihenfolge.

Straffe Zusammenfassung aus dem Urteil des Bundesgerichts:

  • …die Zoll- und die Einfuhrsteuerfreiheit sind verwaltungsökonomisch motiviert. Sie sollen der Vereinfachung des nichtkommerziellen Reiseverkehrs dienen, da der Aufwand und die Erhebung der (geringfügigen) Steuer in einem Missverhältnis zu ihrem Ertrag stünde
    • Bei der Steuer geht es pro Jahr um ca. 1’000 Millionen Franken. Dass das Bundesgericht dies als „geringfügige Steuer“ bezeichnet müsste nicht nur bei uns Fragen aufwerfen
  • Dieser Einwand ist an sich nachvollziehbar, wirkt die Ungleichbehandlung sich für die grenznahen inländischen Gewerbebetriebe doch anerkanntermassen nachteilig aus.
    • Dies die Antwort des Bundesgerichts zu unserer Aussage, dass der Staat das inländische Gewerbe gegenüber dem ausländischen Gewebes benachteiligt
  • «Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, sich zur Sachgerechtigkeit einer Verordnungsbestimmung etwa in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu äussern»
    • Der Staat verschenkt wegen einer Verordnung, welche der Bundesrat problemlos innert Monatsfrist ändern könnte, jährlich eine Milliarde Franken an der Grenze und ist nicht gewillt, diese Vorzüge auch der im Inland kaufenden Bevölkerungen zukommen zu lassen  
  • ….unter Berücksichtigung dieser Aspekte erscheint die beschränkt auf den nichtkommerziellen Reiseverkehr verordnete Wertfreigrenze von Fr. 300.– vor dem Hintergrund von Art. 8 Abs. 1 BV noch als vertretbar
    • Die Aussage des Bundesgerichts „noch als vertretbar“ verleitet zu Überlegungen, wie wohl das Urteil aussehen könnte, wenn die Gegenpartei nicht der Staat wäre
  • …..es ist nicht zu übersehen, dass es einen Konflikt gibt zwischen den Erhebungsgrundsätzen der Wettbewerbsneutralität und der Verfahrensökonomie
    • Das Bundesgericht erkennt zwar einen Konflikt, ist aber nicht bereit, die Politik darauf hinzuweisen bzw. Gleichbehandlung zu verlangen
  • ….der Steuerbetrag auf den Fr. 300.– (Fr. 23.10 beim Normalsatz) ist zwar nicht gerade vernachlässigbar, aber auch nicht derart hoch, dass die resultierende Wettbewerbsverzerrung als übermässig bezeichnet werden müsste.
    • auch diese Formulierung seitens des Bundesgerichts lässt Spielraum für Gedanken, wie wohl eine Rechtsprechung aussehen könnte, wenn die Gegenpartei nicht die Eidgenössische Steuerverwaltung wäre


Wie weiter?

Wir sind der Ansicht, dass diese, vom Schweizer Staat gelebte Praxis nicht nur verfassungswidrig ist, sondern auch eine Menschenrechtsverletzung darstellt.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht diese Praxis absegnet oder sich als nicht zuständig erklärt und den Ball mehr oder weniger deutlich der Politik zuspielt, bleibt leider nur der Gang an den EGMR.

Warum «Menschenrechtsverletzung»

  • Wenn eine Person ein Produkt bis zu einem Warenwert von Fr. 300.– im Inland kauft, verlangt der Schweizer Staat vom inländischen Gewerbe das Erheben der MWST ab dem ersten Franken
  • Wenn dieselbe Person, dasselbe Produkt im Ausland kauft zeigt sich der Staat grosszügig und verzichtet am Zoll auf die Mehrwertsteuer und ist nicht gewillt, diese Vorzüge auch der im Inland kaufenden Bevölkerung zukommen zu lassen

  • Fazit:
    • Die im Inland kaufende Bevölkerung wird vom Schweizer Staat abgestraft und das kommt einer Menschrechtsverletzung gleich